Verhandeln via Videokonferenz: 13 Tipps, um erfolgreich online zu verhandeln

Seit Beginn der COVID-19 Pandemie werden persönliche Meetings immer seltener. Die Pandemie verändert unsere Meetingkultur und damit auch unsere Art zu verhandeln. Doch das ist kein Grund zur Sorge. Denn: Virtuelle Verhandlungen sind nicht schlechter – sie sind anders. Werden die Unterschiede der virtuellen Kommunikation berücksichtigt, macht auch virtuelles Verhandeln Spaß und liefert gute Ergebnisse. Wie? Das lesen Sie im heutigen Artikel.

Warum das Verhandeln in Video-Konferenzen anders ist

Sie sind abends völligst erschöpft, obwohl Sie sich tagsüber kaum bewegt haben und „nur“ an virtuellen Meetings teilnahmen? Da geht es Ihnen, wie vielen Menschen im Moment. Was Sie erleben hat sogar schon einen Namen: Zoom Fatigue.

Der Begriff Zoom Fatigue setzt sich zusammen aus dem Namen des amerikanischen Softwareherstellers „Zoom“ und der englischen Bezeichnung für Müdigkeit oder Erschöpfung – „fatigue“. In englischer Aussprache klingt das Ganze so: „Suum Fatiig“. Gemeint ist speziell das Ermüden, welches uns infolge von Videokonferenzen und virtuellen Meetings ereilt.

Es ist egal, ob Sie Zoom, Microsoft Teams, Google Hangout oder Facetime nutzen. Der Effekt ist immer der gleiche:

Wir sind gestresst

Wer kennt es nicht? Die Technik streikt und wir kommen zu spät in eine Videokonferenz. Wir sind schon genervt bevor es losgeht. Je mehr Menschenan einer Session teilnehmen, desto mehr Gesichter sehen Sie parallel. Das menschliche Auge erfasst jede Bewegung. Unser Gehirn versucht jede Information zu verarbeiten. Das stresst uns zusätzlich.

Wir sind abgelenkt

Unsere Umgebung in Zoom-Calls lenkt ab. Ein Kind, dass im Hintergrund laut ruft. Der Mann, der durch das Bild läuft. Das Licht, das blendet. Alles wird übertragen. Es lockert die Stimmung auf. Doch es erfordert auch unsere Aufmerksamkeit und strengt uns an.

Wir sind dauerhaft online und vergessen Pausen

Es besteht fast keine Möglichkeit während einer Videokonferenz eine mentale Pausen einzulegen. Wir sind innerhalb der Session „always on“. In analogen Terminen entstehen solche Pausen automatisch. Im schlimmsten Fall nutzen wir die Zeit im Home Office dafür, ununterbrochen an Online Meetings teilzunehmen, um „effizient“ zu arbeiten. So bleiben nicht einmal Pausen zwischen den einzelnen Terminen. Doch genau diese Pausen brauchen wir, um uns auf das neue Thema einzustellen.

Wir sind verunsichert

In Videokonferenzen wird unsere Wahrnehmung technisch eingeschränkt. Menschen erscheinen als „sprechende Köpfe“. Wir konzentrieren uns auf die Mimik. Denn: Die Gestik sowie Körpersprache des anderen zu lesen ist unmöglich. Hinzu kommt: Wir sehen nicht was außerhalb des Bildausschnitts geschieht. Unbewusst fragen wir uns, ob etwas vor unserem Blick versteckt wird, ob sich vielleicht sogar noch eine andere Person im Raum befindet. Sie sind nicht sicher, ob das Gespräch nicht vielleicht heimlich gespeichert oder an zusätzliche Teilnehmer übertragen wird. Das verändert das Gesprächsklima dramatisch. Es herrscht Misstrauen in den Verhandlungen. Ein gläserner Verhandlungssaal entsteht.

Wir reden aneinander vorbei

Aktives Zuhören ist in Verhandlungen wichtig, um die Interessen Ihres Gegenübers zu verstehen. Doch in Videokonferenzen klappt das nicht optimal: Die Tonqualität ist nicht gleichbleibend gut und einzelne Worte oder Sätze gehen verloren. Hinzu kommt die Latenz, welche Antworten verzögert. Wir als Menschen sind es gewohnt Antworten auf unsere Fragen zu bekommen. Passiert das nicht, fragen wir nach, rufen dazwischen oder fallen uns ins Wort.

Die oben genannten Hinweise machen es Ihnen wahrscheinlich schon deutlich: Der virtuelle Kontext macht das Verhandeln schwerfälliger, langsamer und sorgt für mehr Missverständnisse. Sie brauchen mehr Zeit um Vertrauen aufzubauen und um Ihre Interessen abzugleichen.

13 Tipps für erfolgreiche Online-Verhandlungen

Tipp #1: Sessions limitieren

Formate, die im analogen Umfeld funktionieren, lassen sich nicht eins zu eins online abbilden. Um Zoom Fatigue zu vermeiden, ist es deutlich besser, aus einer Verhandlung, die ursprünglich einen Tag gedauert hätte, zwei Online-Sessions zu 4 Stunden zu machen.

Tipp #2: Für funktionierende Technik sorgen

Um ruckelfrei durch das Meeting zu kommen und so unnötige Missverständnisse zu vermeiden, stellen Sie eine stabile Internetverbindung für alle Teilnehmenden sicher. Testen Sie Ihr Videokonferenz-System vorab. Spielen Sie alle Funktionen durch. Funktioniert das Screen-Sharing? Ist die Session durch ein Passwort geschützt? Können Sie den Warteraum verwalten? Bitten Sie Ihr Gegenüber um einen gemeinsamen Technik-Check vorab.

Tipp #3: Sicherheitsrisiken minimieren

Heutzutage kann jede Art von Verhandlung ganz einfach mit dem Smartphone aufgezeichnet werden. Egal ob Sie vor Ort, telefonisch oder eben per Videokonferenz verhandeln. Eine 100-prozentige Sicherheit dies zu verhindern, haben Sie nie. Dennoch ist es wichtig etwaige Risiken zu minimieren. Hierzu empfehle ich Ihnen vorab die verschiedenen Tool-Anbieter zu vergleichen und ggf. Ihre IT-Abteilung um Rat zu fragen. Zusätzlich sollten Sie zu Beginn der Verhandlung vereinbaren, dass keinerlei Aufzeichnungen oder Mitschnitte erstellt werden. Ich empfehle Ihnen diese Regeln schriftlich festzuhalten.

Tipp #4: Smalltalk führen

Beginnen Sie Ihre Verhandlungssession mit einer lockeren Unterhaltung. Der Hintergrund Ihres Gegenübers bietet Ihnen genügend Anknüpfungspunkte (Möbelstücke, Bilder etc.). Gemeinsamkeiten sorgen für eine gute Stimmung.

Tipp #5: Kommunikationsregeln festlegen

Unterhalten Sie sich bewusst zu Beginn der virtuellen Verhandlung darüber, wie sie miteinander sprechen wollen. Holen Sie sich die Zustimmung der Teilnehmenden ein, während der gesamten Session auf Multitasking zu verzichten. Fassen Sie als Gesprächsführer*in regelmäßig den aktuellen Stand der Verhandlung zusammen. Das Strukturieren der Session in themenbezogene Blöcke, hilft allen Teilnehmenden den Überblick zu behalten.

Tipp #6: Kamera anschalten

Eigentlich ein No-Brainer! Doch ich erlebe es immer noch, dass Teilnehmende ihre Kamera ausgeschaltet lassen. Dieses Verhalten schadet doppelt: Zum einem gibt es dem Sprechenden ein komisches Gefühl, weil er*sie nicht weiß, was der Gegenüber eigentlich gerade tut. Zum anderen fördert das „Nicht gesehen werden“ die Unaufmerksamkeit des Zuhörers und verleitet zum Multi-Tasking. Deshalb: Machen Sie Ihre Webcam an.

Tipp #7: Teaminterne Kommunikation sicherstellen

Dieser Tipp zählt zu meinen Geheimtipps, weil die Notwendigkeit fast nie erkannt wird. Wenn Sie und Ihr Team wegen den aktuellen Einschränkungen im Home Office sitzen ist ihre teaminterne Kommunikation eingeschränkt. Gleichzeitig brauchen Sie eine Verbindung mit Ihren Kolleg*innen, um alles, was Sie während der Verhandlung beobachten taktisch abstimmen zu können. Deshalb: Setzen Sie einen parallelen Kommunikationskanal auf. Ich rate Ihnen nicht den Chat des Videokonferenz-Systems zu nutzen, weil es hier leicht zu Fehlern kommt und Ihr Gegenüber dann eventuell interne Infos mitlesen kann. Etablieren Sie einen anderen Kanal: Richten Sie zum Beispiel eine Gruppe in einem Messenger-Dienst wie Slack ein. Wenn jeder die Stummschaltung seines Handys im Griff hat, können Sie auch telefonisch Kontakt halten.

Tipp #8: Blickkontakt halten

In die Augen Ihres Gegenübers zu schauen, baut Vertrauen auf. Vertrauen ist wichtig, um in Verhandlungen gute Einigungen zu entwickeln. Deshalb: Schauen Sie nicht sich selbst an. Wenn es Ihnen schwer fällt, direkt in die Kamera zu schauen, empfehle ich Ihnen die Galerieansicht der anderen Teilnehmer am oberen Bildschirmrand zu positionieren. So schauen Sie intuitiv häufiger zum oberen Bildschirmrand. Wer noch weiter gehen möchte, kann auch zu Software-Lösungen wie NUIA greifen. Diese Lösung unterstützt Sie mit Eye-Tracking dabei Blickkontakt herzustellen. Microsoft bietet inzwischen sogar auf neuen Surface Geräten das Feature „Eye Conact“ an, welches mit Hilfe künstlicher Intelligenz (KI) ihren Blick während Videocalls korrigiert.

Tipp #9: Blickfeld erweitern

Sie können die Illusion des sprechenden Kopfes reduzieren, wenn Sie die Teilnehmenden bitten, sich von der Kamera wegzubewegen. Wenn Sie Ihr eigenes Bild ablenkt, schalten Sie diese Ansicht ebenfalls aus. Sie selbst sehen sich dann nicht mehr. Die anderen Teilnehmer sehen sie weiterhin.

Tipp #10: Aktive Pausen einplanen

Wir können uns in dem virtuellen Setup maximal 45 Minuten konzentrieren. Planen Sie kurze Pausen ein, damit die Teilnehmenden mental abschalten und sich bewegen. Schlagen Sie während der Pausen das bewusste Ausschalten von Kamera und Ton vor. Fordern Sie die Teilnehmenden auf, sich einen Kaffee zu holen oder einen Tee zu kochen.

Tipp #11: Co-Moderation nutzen

Sie wissen ja bereits: An Videokonferenzen teilnehmen erschöpft. Doch was noch mehr ermüdet, ist die Moderation der Session. Deshalb entlasten Sie sich und schließen Sie sich mit einem*einer Kolleg*in zusammen. Die Co-Moderation entlastet nicht nur Sie, sondern hilft den Teilnehmen besser zuzuhören.

Tipp #12: Kerninhalte visualisieren

Videokonferenzen begrenzen Ihre Sicht. Nutzen Sie kollaborative Tools wie Miro, Padlet oder Mural, um die wichtigsten Inhalte für alle sichtbar darzustellen. Solche Tools sind nützlich für das Entwickeln von Lösungsideen. Sie können auch genutzt werden, um die verschiedenen Verhandlungspunkte zu priorisieren. Das tolle an diesen Tools ist, dass sie gemeinsam mit den anderen Teilnehmenden auf den virtuellen Whiteboards arbeiten können. Das erhöht die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden und stärkt die Interaktion.

Tipp #13: Eckpunkte zusammenfassen

Idealerweise haben Sie eines der oben genannten Tools benutzt, um die wichtigsten Zwischenergebnisse Ihrer Verhandlung festzuhalten. Falls nicht, fassen Sie den aktuellen Stand in einer E-Mail zusammen und versenden Sie sie direkt nach der Session an alle Teilnehmenden. Bitten Sie darum Ihr Protokoll zu prüfen und zu bestätigen. So vermeiden Sie unnötige Missverständnisse.

Fazit

Die Pandemie wird vorübergehen. Doch ich bin überzeugt: Wir werden immer häufiger virtuell verhandeln. Deshalb nutzen Sie die aktuelle Situation, um das online verhandeln zu üben und verschiedene Tools auszuprobieren. Um Sie dabei zu unterstützen habe ich eine kostenlose Checkliste für Online-Verhandlungen entwickelt. Sie begleitet Sie Schritt für Schritt durch Ihre nächste Online-Verhandlung. Zusätzlich gebe ich Ihnen Tipps mit an die Hand für das Verhandeln per E-Mail und Telefon.

Machen Sie sich bewusst: Virtuell Verhandeln ist nicht schlechter. Es ist anders.

HOLEN SIE SICH JETZT DIE CHECKLISTE FÜR ONLINE-VERHANDLUNGEN:

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Lisa Kohlrusch

Prozessbegleiterin & Mediatiorin

Lisa liebt Unternehmen, die sich verändern, um nachhaltiger und digitaler zu werden. Als Gründerin von PACTUM sieht sie ihre Mission darin, Menschen zu umfangreichen Transformationen zu ermutigen und sie dabei aktiv zu begleiten.

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